Verständnis komplexer Sachverhalte

Einer unserer Mandanten kam dieser Tage mit dem Hinweis auf mich zu, dass man aus unserem System gerade keine vernünftige Rechnung schreiben könne: Er müsse im Juli eine Rechnung mit 19% Steuer schreiben. Sein Fingerzeig bezog sich auf ein Programmierungsproblem, meine Lösungsvorschläge orientierten sich an steuerrechtlichen Vorgaben. Er könne- so meine Überlegung- das Rechnungsdatum auf den 30.06.2020 oder den 01.01.2021 anpassen , was die 19%-Steuer anziehen würde.

Nicht jeder Vorschlag ist eine Lösung

Mein Vorschlag wurde als nicht konstruktive Lösung abgelehnt. Man wollte den Rechnungsmonat Juli 2020 und die 19%-Steuer. Wenn man möchte, dass Stammdaten so gesetzt und gepflegt werden, dass die Rechnung so rauskommt, wie man sie haben will, braucht man keine steuerrechtliche Belehrung. Immerhin war dem Mandanten nach unserem Austausch absolut bewusst, dass es eine weitere Dimension in seiner Forderung gibt. 

Verständnis

Als wir den Umfang des Anliegens beide verstanden hatten, zeigte sich schnell, dass der erst einmal banale Ansatz deutlich komplexer war. Wir benötigten die Auskünfte einer Oberfinanzdirektion und eines Finanzamtes, um den Fall sachlich sauber einschätzen zu können. Dass Dinge nicht immer eindeutig auf der Hand liegen und einfach umgesetzt werden müssen, zeigte sich an einem Schreiben eines Geschäftspartners, in dem sich der wunderbare Satz:

“Aktuell sind wir in Gesprächen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Landesamt für Steuern und setzen uns für einen Umsatzsteuererlass ein, um diese Problematik zu lösen.”

fand. Ich mag ihn, weil er zeigt, dass man sich nicht scheuen sollte, für eine belastbare Expertise höhere Instanzen anzusprechen. 

Motivation als Faktor

Das Bundesministerium für Finanzen kommuniziert auf eigenen Plattformen: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Umsatzsteuer/2020-06-30-befristete-Senkung-umsatzsteuer-juli-2020-final Problem hier ist, dass die Motivation, sich an solchen Orten zu tummeln und die Informationen selber durchzuackern, gewöhnlich eher niedrig ausfällt.

Rückblickend haben wir alle gelernt, dass Kommunikation sehr viel ausmacht. Dass es nicht reicht, toll programmieren zu können, sondern dass man auch den Steueranforderungen gerecht werden muss. Wir haben die Lösung bekommen . Der Mandant kann tatsächlich im Juli 2020 eine Rechnung mit einer Mehrwertsteuer über 19% schreiben. Für diese Lösung bedurfte es allerdings des Verständnis komplexer Sachverhalte. Und: Man muss in unserer Branche mehrdimensional denken. Wir hätten dem Kunden keinen Gefallen getan, wenn wir seinem Wunsch umgehend entsprochen hätten und bei der nächsten Umsatzsteuervoranmeldung das Finanzamt Rückfragen gehabt hätte. Es wäre kaum möglich gewesen, diese plausibel zu beantworten.  

 

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